Auf dem Gemeinschaftsstand des Planernetzwerkes der Flexperten wurde an den drei Tagen der Biogas Convention durchgehend von 10.00 bis 17.00 Uhr ein Vortragsprogramm rund um die Themen der Flexibilisierung präsentiert, das neben Anbieter für die Biogas-Branche auch Flex-interessierte Betreiber anzog. Im Gespräch mit Betreibern zeigte sich, dass das Meinungsbild zu den Risiken und Chancen der Flexibilisierung nach wie vor weit auseinandergeht. Die Nachfrage zum Thema Flexibilisierung erstreckte sich von grundlegenden Fragen der Genehmigung bis hin zu Detaillösungen der technischen Umsetzung.
Was Betreiber zum Thema Flexibilisierung bewegt
In vielen Einzelgesprächen mit Betreibern wurden die zahlreichen Schnittstellen des Flexibilisierungsvorhabens als Bürde im ohnehin schon zeitlich belasteten eigenen Alltag beschrieben. Regional unterschiedliche Reaktionen der Genehmigungsbehörden auf ein Flexvorhaben irritieren Betreiber genauso wie offenbar immer noch im Markt fehlende verläßliche Kalkulationsgrundlagen über mehrere Jahre. Die oft geäußerte Erwartung, alle notwendigen Investitionen aus der Flexprämie stemmen zu können, lässt sich sicher nur im Ausnahmefall erfüllen.
Die individuellen Voraussetzungen der Betreiber sind sehr unterschiedlich und erschweren pauschale Aussagen oder gar Empfehlungen in die eine oder andere Richtung. Dafür ist das Thema Flexibilisierung einfach zu komplex. Dies stellt auch Anbieter von Flex-BHKWs vor Herausforderungen. Gerade wenn die Peripherie im Bereich Gasspeicher und Biogasaufbereitung noch unklar ist und keine Vorstellung zum Flex-Fahrplan besteht.
Über Wartungskosten für das bestehende und das neue Aggregat kann man erst dann sprechen, wenn deren Fahrplan steht. Hilfreich sind alternative Betrachtungen für verschiedene Fahrplanvarianten, hinter denen ja auch unterschiedliche große Gas- und Wärmepufferspeicher stehen.
Es gibt auch keine pauschale Aussage zur optimalen Überbauung der eigenen Anlage. Weil in diese Festlegung mehrere Faktoren einfließen: räumliche Restriktionen der Erweiterung, Aufnahme des Stromnetzes für den geplanten Zubau, Finanzierungsvolumen und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung über die geplante Nutzungsdauer, um nur die wichtigsten Themen anzusprechen.
Projektunterstützung für Flexumsetzung notwendig
Eine Flexibilisierung ist für den Betreiber ein “Mehrkampf” an mehrern Fronten gleichzeitig. Dies frissst im Alltag viel Zeit, die für das Tagesgeschäft fehlt. Aus diesem Grund empfielt sich externe Projektunterstützung durch neutrale Dritte, die Fachplaner und Lieferanten koordinieren und den formalen Genehmigungsprozess unterstützen. Flexibilisierung erstreckt sich auf nahezu alle Anlagenkomponenten einer Biogasanlage.
Für Umbaumaßnahmen im Bereich Wärmeauskopplung und Vorwärmung vom Biogasmotor und der Gasaufbereitung sowie der Netzanbindung des neuen BHKWs sind Fachplaner unerläßlich. Eine fachlich saubere Anlagenplanung erspart im Betrieb viel Ärger und Kosten. Der Aufwand hierfür rechnet sich in besonderer Weise.
Stand der Entwicklung von Biogas-BHKWs
Der Run auf stets noch höhere mechanische Wirkungsgrade scheint zugunsten einer vernünftigen Betrachtung der Zuverlässigkeit von Biogas-Aggregaten gewichen zu sein. Viele Betreiber haben in der Vergangenheit schmerzhaft erfahren müssen, dass eine hohe Verfügbarkeit in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung stärker durchschlägt als ein attraktiver Wirkungsgrad. Die hohe Verfügbarkeit wird von der Ausstattung und dem Package des BHKWs wesentlich mitbestimmt.
Eine unzureichende Qualität der eingesetzten Komponenten oder einen fehlerhafte Projektierung machen sich im Betrieb leider unangenehm durch ungeplante Stillstände und Schäden bemerkbar. Qualität kostet zu Beginn in der Investition mehr Geld. Diese rechnet sich aber durch geringere Instandsetzungskosten und schont die Nerven der Betreiber.
Dies gilt auch für Flex-Aggregate: Einsparungen an Vorwärmeinrichtungen im Bereich der Biogasaufbereitung und der Kühlkreisläufe führen zu hohen, vorhersehbaren Schäden sowohl am Biogasmotor als auch am Abgaswärmetauscher. Sorgfältige Auslegung und Umsetzung der technischen Flex-Anforderungen sichert erst problemlosen Betrieb und erhält die Versicherbarkeit des Biogas-BHKWs.
Gesetzgeber arbeitet an der zukünftigen Verschärfung der TA-Luft
Die ersten BHKW-Hersteller und natürlich auch die Komponentenhersteller, die sich mit Abgaskatalysatoren zur Oxidierung von Formaldehyd und zur Reduktion von Stickoxiden beschäftigen, stellen sich der Diskussion um die Abgaswerte, die Biogas-BHKWs heute erzielen. Eine Diskussion, wie wir sie derzeit für PKWs mit Dieselmotoren erleben, wäre für die Biogasbranche mit Blick auf auf die Akzeptanz nicht dienlich.
Es geht zunächst um die Formaldehyd-Grenzwert-Festlegung für neue und bestehende Aggregate, die sich mit bezahlbarer Technik (Oxikats) umsetzen lässt. Und dabei nicht nur zum Prüfzeitpunkt die Grenzwerte einhalten, sondern für die zugesagte Nutzungsdauer von 12 bis 24 Monaten. Die Anbieter entwickeln hier mit der Zielsetzung, den Betreibern eine sichere Einhaltung der Grenzwerte zuzusagen. Diese lässst sich aber nur aufrechterhalten, wenn das Aggregat gemäß Herstellervorgabe gewartet und korrekt eingestellt ist. Bei dem im Markt vorherrschenden Biogasmotoren-Typ mit sehr magerem Gemisch (Lambda ca. 1,7) ist dies mit Blick auf die Stickoxid-Emission zwingend notwendig.
Der Zielkonflikt zwischen hohem Wirkungsgrad und geringer Stickoxid-Emission ist bei der geplanten Absenkung der Stickoxid-Grenzwerte nur mit einem SCR-Katalysator mit Harnstoffeindüsung lösbar. Ein weiteres Abmagern des Gemisches (“kältere” Verbrennung, geringere Stickoxidbildung) würde zu starken Zündaussetzern und einem steilen Anstieg unverbrannten Methans führen.Dies wäre weder unter dem Gesichtspunkt der Emissionen noch unter einem akzeptablen Laufverhalten der Motoren vertretbar.
Biogasbranche kann von der Fahrzeugbranche lernen
Die Hersteller arbeiten an einer wirtschaftlichen Lösung dieses Zielkonfliktes für Betreiber. Wenn der Gesetzgeber ein Verschärfung des Stickoxid-Grenzwertes beschließen wird, wovon Branchenspezialisten in den nächsten Jahren ausgehen, wird ein SCR-Kat notwendig. Welche Übergangsfristen oder Befreiungen dann gelten werden, ist heute noch nicht bekannt, wird aber sicher von den Branchenvertretern in den Fachausschüssen auszuhandeln sein. Wer heute für die nächsten 8 bis 10 Jahre investiert, tut sicher gut daran, gemeinsam mit Herstellern Handlungsoptionen für eine kostengünstige Nachrüstlösung zur Stickoxid-Reduzierung zu haben.
In der Nutzfahrzeugbranche gibt es hinreichende Betriebserfahrungen mit der Eindüsung von Harnstoff. Gasmotoren-Hersteller beschäftigen sich derzeit mit der Anpassung dieser Großserien-Technik. Ein Lösungskonzept sieht ein “mildes” Mager-Motor-Konzept vor (Lambda ca. 1,4), das aufgrund höherer Brennraumtemperaturen für einen Wirkungsgradgewinn und damit bessseren Biogasverbrauch (ca. -3%) sorgt, der zum großen Teil die Kosten der eingespritzte Harnstoffmenge zur Stickoxidreduktion trägt.
Für Betreiber bedeutet dies, mit ihrem BHKW-Lieferanten einen ausreichend großen Einbauraum zwischen Abgasturbolader und Abgaswärmetauscher vorzusehen, um später problemlos nachrüsten zu können. Schon heute sind ausreichend groß dimensionierte Kat-Gehäuse auf dem Markt erhältlich, die zunächst nur mit dem Oxi-Kat bestückt werden und einen einfachen späteren Ausbau mit den SCR-Elementen einschließlich der Harnstoffeindüsung ermöglichen.
Serviceverträge für Flexbetrieb: Markt bewegt sich (zu) langsam
Das Kleingedruckte in Wartungsverträgen ist nach wie vor ausschlaggebend für Rechte und Pflichten von Serviceunternehmen und Betreibern. Auf der einen Seite muss klar sein, welchen Fahrplan der Betreiber mit seinen Aggregaten zukünftig im Flexbetrieb fahren möchte, auf der anderen Seite sind die Peripherie -Aggrate (wie Biogasaufbereitung) ebenso zu warten und zu prüfen wie das Aggregat selbst, da ihr Zustand ganz wesentlichen Einfluß auf die Funktion des BHKWs und damit auch auf die Betriebskosten nimmt.
Wie wichtig dieses Thema im Einzelfall sein kann, zeigte sich kürzlich bei der Aufstellung eines neuen Flex-BHKWs, bei dem sich bedauerlicherweise der Container verzogen hatte. Natürlich wird der Mangel abgestellt, aber etwaige Spätfolgen muss der Betreiber die nächste 8 Jahre nicht tragen, da das Wartungs- und Reparaturkostenrisiko der Hersteller im Rahmen des Full-Service-Wartungsvertrages trägt. Originalton des Betreibers: “Ohne meinen Servicevertrag könnte ich bei diesem Schaden jetzt nicht ruhig schlafen – aber mit diesem langfristigen Servicevertrag habe ich einfach keinen Stress, heute nicht und zukünftig auch nicht.”
Die auf der Biogas Convention von der IG Biogasmotoren gehaltenen Vorträge zu den technischen Anforderungen der Flexibilisierung werden interessierten Betreibern von Biogas-BHKWs kostenfrei in kurzen Webinaren im Januar zur Verfügung gestellt. Schauen Sie sich die Vorträge dann in Ruhe an. Wir informieren Sie, wenn die Webinare für Sie bereitstehen.