Manche Veranstalter und sicher auch manche Teilnehmer haben die Erwartung, in wenigen Stunden sei das Thema Flexibilisierung mit seinen zahlreichen Schnittstellen ausreichend besprochen. Das deckt sich nicht mit unseren Erfahrungen aus zahlreichen Flex-Veranstaltungen. Die richtige Arbeit fängt für Betreiber erst nach einem Ganztages-Seminar an, wenn vor dem Hintergrund der eigenen Anlage die Voraussetzungen für erfolgreiche Flexibilisierung geklärt und bewertet werden müssen. Ziel muss es sein, alle wichtigen Entscheidungskriterein und die inhaltlichen und zeitlichen Abhängigkeiten der Teilthemen voneinander in Flex-Veranstaltungen ausreichend detailliert vorzustellen.
1. Zukunftsperspektive – die Zeit nach dem EEG
Mt einer Restlaufzeit des jeweilgen EEGs für die eigene Biogasanlage von mehr als 10 Jahren lässt sich die Flexprämie für die Investition in ein weiteres Biogas-BHKW nutzen. Die Höchstbemessungsleistung bleibt gleich, der Volllastbetrieb des BHKWs wird verlassen und je nach Anzahl und Größe des Flex-Aggregates werden jährlich nur noch ca. 2500 bis 4000 Betriebsstunden erreicht. Damit fallen größere Revisionen und Grundüberholungen der Biogasmotoren entsprechend später an.
Es ist davon auszugehen, dass nach Auslauf des EEG-Zeitraumes ein wirtschaftlicher Betrieb der Biogasanlagen nur noch mit bedarfsgerechter Stromerzeugung und einem Wärmekonzept möglich sein wird.
Es gibt kein Patentrezept für das ideale Maß der Überbauung einer bestehenden Anlage. Daher ist es ratsam, eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsrechnung vor die Investitions-entscheidung zu stellen. Für den späteren Flexbetrieb der BHKWs ist die Peripherie insbesondere im Bereich der Biogasaufbereitung, der Gas- und Wärmespeicher sowie der Trafostation anzupassen.
2. Frühzeitig Genehmigungsbehörden einbinden
Die Genehmigungsdauern reichen von sportlichen 5 Monaten bis knapp 2 Jahre. Wenn dann noch Lieferzeiten mit ca. 6 Monaten vom BHKW-Lieferanten hinzukommen, wird klar, wie wichtig ein Zeitplan für alle Phasen des Flexibilisierungsprojektes wird.
Betreiber berichten von postiven Erfahrungen, wenn Behörden frühzeitig in das Flexprojekt eingebunden werden. Es scheint auch noch nicht überall bei Genehmigungsbehörden angekommen zu sein, dass Flexibilisierung nicht mit einem Mehrverbrauch von Substraten verbunden ist, sondern die Produktion der Energiemenge nur anders zeitlich verteilt wird. Je mehr um Verständnis geworben wird und je mehr Vorurteile abgebaut werden, desto einfacher und schneller wird der Genehmigungsprozess.
3. Netzanbindung und Trafostation
Manche Netzbereiche erlauben heute kaum noch einen weiteren Ausbau, um eine größere elektrische Leistung aufzunehmen. Deswegen ist eine der ersten Aufgaben die Netzanfrage. Ohne ein grünes Licht vom Netzbetreiber droht das Flexprojekt zu scheitern.
Wenn die Netzanbindung heute nicht ausreichend gegeben ist, könnte ein klärendes Gespräch mit dem Übertragungsnetzbetreiber helfen, ob nicht zeitlich parallel der Aufbau des Flex-BHKWs und der Netzausbau bis zum Einspeisepunkt geschehen kann.
Für eine mindestens doppelte Überbauung wird auch der vorhandene Tranformator zu klein sein. Die nicht zu knappe Auslegung des Transformators ist für einen wirtschaftlichen Betrieb nicht zu unterschätzen, da sonst dauerhaft unnötig große Wirkungsgrad-Verlustes des Transformators in Kauf genommen werden müssen.
4. Gasspeicher und Wärmespeicher müssen bewertet werden
Flexibler Betrieb bedeutet phasenweiser Stillstand aller Biogasmotoren, wenn die Strompreise unattraktiv niedrig sind und Volllast für alle Aggregate, wenn die Strompreise an der Börse hoch sind. Flexibler Betrieb hat auch nichts mit Regelenergiebereitstellung zu tun. Dieses Missverständnis teilen sich viele Betreiber mit Herstellern und Packagern.
Auf der einen Seite möchte man als Betreiber die erlaubte Höchstbemessungsleistung hereinfahren. Dazu reichen je nach Grad der Überbauung schon 3000 Betriebsstunden pro Biogasmotor oder weniger aus. Andererseits dürfen die Stillstandszeiten der Biogas-Motoren nicht so groß sein, dass sich der Wärmespeicher entleert und Wärmekunden über zu niedrige Temperaturen klagen. Ein optimierter Fahrplan berücksichtigt sowohl die höchsten Strompreis im Markt als auch die erforderliche Wärmeversorgung der Wärmeabnehmer.
5. Biogasversorgung und -Aufbereitung
Biogasentfeuchtung, Nacherwärmung und Entschwefelung im Aktivkohlefilter sind für Anlagenbauer deshalb eine Herausforderung, weil mit ca. 2 Starts pro Tag Abkühl- und Aufwärmphasen durch eine Warmhaltung kompensiert werden müssen. Diese lässt sich entweder elektrisch oder aus einem Wärmespeicher bedienen. Damit wird vermieden, dass kaltes und feuchtes BIogas die Aktivkohle passiert und dadurch ungefiltert Schwefel-wasserstoff in den Biogasmotor gelangt.
Mehrere Biogas-BHKWs, die von den bestehenden Fermentern mit Biogas versorgt werden sollen, benötigen ausreichend dimensionierte Rohbiogasleitungen und Gasgebläse, die den notwendigen Gas-Vordruck am jeweiligen BHKW sicherstellen. Anderenfalls beeinflussen sich einzeln startende BHKWs ungüstig und der Gasdrck bricht am Nachbar-BHKW so ein, das der Biogasmotor in die Abschaltung geht. Durch sorgfältige Planung lassen sich diese unerwünschten Betriebszustände vermeiden.
6. Motorvorwämung und Versorgung der Wärmekunden
Der Wechsel von Warm- und Kaltbetriebszuständen ist grundsätzlich mit höherem Verschleiß der Motoren verbunden und kann durch eine Vorwärmung oder Warmhaltung vermieden werden. Auch hier bietet sich als Energielieferant ein Wärmespeicher an, der die gewünschte Wärme deutlich preisgünstiger liefert als die elektrisch betriebenen Vorwärmeinrichtungen, die viele Biogasmotoren serienmäßig aufweisen.
Die größere Anzahl von Motorstarts beanspruchen die Lager der Motoren nur unwesentlich, wenn elektrisch vorgeschmiert wird. Manche Hersteller statten ihre Biogasmotoren mit Vorschmierpumpen aus, ab einer bestimmten Motorengröße sind sie ohnehin zwingend notwendig. Sofern die Anzahl der Starts unter 1000 pro Jahr bleibt, ist für viele Hersteller nicht von signifikant höherem Lagerverschleiß auszugehen. Auch bei älteren Motoren ist eine Vorschmierung nachrüstbar, um den Verschleiß zu reduzieren.
Gut optimierte Flex-Fahrpläne kommen mit 1,5 – 2 Starts pro Tag aus und sind nicht mit den (unkalkulierbaren) Fahrplänen und Leistungsabrufen der Regelenergiebereitstellung vergleichbar. Nach dem Start laufen die Motoren mindesten 2 Stunden bis maximal ca. 10 -12 Stunden und haben am Wochenende eher größere Stillstandszeiten, weil die Strompreise niedrig sind.
Gerade dann schlägt die Stunde richtig dimensionierter Gasspeicher, die bei still stehenden Motoren sich befüllen und die Gasproduktion aufnehmen. Der Wärmespeicher entlädt sich am Wochenende stärker für den Wärmebedarf der Wärmekunden und sollte dies auch bei strengen Außentemperaturen schaffen.
Schon im ganz normalen Volllastbetrieb gibt es durch mangelhafte Planung der Komponenten zur Wärmeversorgung häufig Probleme, die sich im Flexbetrieb dramatisch verschärfen würden, wenn die Lastprofile der Wärmekunden unberücksichtigt blieben und die Wärmetauscher, Pumpen und Wärmeleitungen zu knapp dimensioniert würden. Die Umsetzung der dynamischen Anforderungen der Wärmespeicher für Auf- und Entladung sind die Erfolgsfaktoren eines gut geplanten Flexprojektes.
7. Sorgfalt vor Schnelligkeit
Ohne planerische Unterstützung wird es nach unserer Überzeugung kein nachhaltig wirtschaftlich erfolgreiches Flexprojekt geben können. Der (externe) Planungsaufwand macht sich später durch störungsfreien Betrieb bezahlt.
Ein Flexprojekt hat zahlreiche Schnittstellen nach außen, die zeitlich bedient werden müssen. Auch wenn der Alltagsbetrieb fallweise zurücktreten muss, lohnt sich der Zeiteinsatz für die Flexibilisierung, damit diese unter Beachtung aller Risiken erfolgreich bewältigt wird.
Deshalb ist jedem Betreiber empfohlen, sein eigenes Flexprojekt kritisch auf wirtschaftliche Risiken und Chancen hin zu überprüfen und mit ausreichenden Reserven zu kalkulieren.